immer ist irgend etwas #1

Am Morgen des Abreisetages aus Bremen wachte ich gegen halb zehn von einem Schrei auf. Dann hörte ich ein lautes und schreckliches Kratzen an der Außenwand. Eine Frauenstimme schrie:“ Alter pass doch auf!“ – ich war sofort hellwach und schnellte aus meiner Koje hoch. Kurzer Hand nach oben an Deck geklettert sehe ich von rechts ein großes Schiff nicht mal einen Meter von unserer Backbordseite entfernt und dann war der Fall recht klar, wir sind mit diesem Schiff kollidiert. Die Gesichter der Crew sahen erschrocken und nicht sehr gut aus, Ib erklärte mir, dass wir gerammt worden sind und ich solle schnell ein paar Fotos machen.

Schaden an der MS Anton – Photo by Sebi Berens

Die beiden Schiffe fuhren nach der Kollision parallel in einem Abstand von ungefähr 10 Metern. Die Besatzung des anderen Schiffes schrie sehr aggressiv während dieser Parallelfahrt rüber. Wir sollen ihnen folgen, dann würden sie die Polizei rufen und uns eine Anzeige verpassen. Wir entschieden erstmal nicht dieser Drohung nachzugehen und nachzudenken.

„Skipper Knud“ und Werftmitarbeiter der Wichmannwerft inspizieren den Schaden – Photo by Sebi Berens

 

Bäume an der Weser – Photo by Sebi Berens

 

… nach der Kollision mit der MS Anton – Photo Sebi Berens

 

Polizei verlässt die Werft nach Befragung der Besatzung der MS Anton – Photo by Sebi Berens

 

Nachdem ich Knud, unserem Skipper, das übersetzt habe, sah er sich den Schaden an, der bis auf weiteres erst mal nur wie ein Lackschaden aussah und wir setzen unsere Fahrt fort. Das andere Schiff beendete nun die Parallelfahrt und überholte uns kurzer Hand. Als es vor uns fuhr, legte es spontan und mit voller Kraft den Rückwärtsgang ein drehte sich um 180 Grad. Wir mussten sofort bremsen und beidrehen, damit wir nicht in das Schiff hineinfahren würden. Gott sei dank ist die Crew so erfahren, dass diese zweite Tragödie abgewendet werden konnte. Das andere Schiff verschwand in einem Hafen und wir mussten den zweiten Schock erst mal überwinden.

Nach ein paar Telefonaten und ein paar logischen Überlegungen sind wir zu der Entscheidung gekommen, es sei nur förderlich wieder umzukehren und die Polizei zu rufen, da wir das Verhalten des Schiffes als grob fahrlässig bewerten. Dies war auch die richtige Entscheidung, da das verursachende Schiff bereits die Wasserschutzpolizei gerufen hatte und diese mit einem Abfangboot 10 km weiter auf uns warteten.

Nach einem Gespräch mit dem zuständigen Polizeimitarbeiter, riet er uns dringend nicht direkt zum anderen Schiff zu fahren, da die Lage dort eskalieren könnte und dass wir im Sinne der Deeskalation die Station der Wasserschutzpolizei selbst anfahren und mit der Polizei Kontakt aufnehmen sollten. Nach dieser Einschätzung war für uns klar, dass wir um das andere Schiff besser einen großen Bogen machen sollten.

Angekommen an der Wasser-schutzpolizeidienststelle Brake, vernahmen uns Polizeimitarbeiter und belehrten uns, dass wir auf zwar auf dem international anerkannten Kanal 16 gefunkt und gehört haben, wir aber in diesem speziellen Gewässer auf Kanal 6 (Ship to Ship) hören sollten. Dies war offensichtlich ein Fehler unsererseits und hätte laut des anderen Schiffes zur Kollision geführt. Knud und Ole mussten zum ersten Mal in ihrem Leben einen Alkoholtest machen, um ihrer Unbedenklichkeit zu beweisen. Nach einer kurzen Inspektion des Bootes entschied die Polizei, dass wir eine Werft anlaufen müssen, um die sichere Weiterfahrt zu garantieren. Wir fuhren nach kurzer Rücksprache mit Gerald Mennen in Richtung Elsfleether Werft. Wir fanden aber alsbald heraus, dass die Werft nur auf Stahlboote spezialisiert ist und wir auf einen unabhängigen Gutachter zurückkommen müssten, der auch gut eine Stunde später kam und das Boot für fahrtauglich erklärte. Wir sollen aber in Emden, auf dem weiteren Weg unserer Reise, den Schaden beheben lassen.

starker Wellengang auf der MS Anton – Photo Sebi Berens

Nach der offiziellen Bestandsaufnahme von zwei weiteren Polizisten zahlten wir ein Bußgeld in Höhe von 55 Euro bezüglich des falsch eingestellten Funkgerätes und sahen von einer strafrechtlichen Klage gegen das andere Schiff ab.

Wir sind nach all dem Erlebten ziemlich platt. Wir entschieden uns, gegen Abend dann doch noch Bremerhaven zu erreichen, wo uns ein wunderbarer Sonnenuntergang und gleißendes Wasser empfing.

Ein Start der Extraklasse …

 

Bremerhaven – Photo Sebi Berens

 

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