Im Land der Dichter und Denker

Am nördlichsten Punkt unserer Schiffsroute „Mit Sicherheit gut ankommen“ liegt, mitten im Wattenmeer der Nordsee, die Gruppe der ostfriesischen Inseln. Fast in ihrer Mitte, direkt vor der niedersächsischen Küste, erhebt sich die Insel Norderney. Bei Ebbe kann man, die entsprechende Kleidung und Erfahrung vorausgesetzt, weit in die Nordsee laufen – oder aber von der Insel zum Festland. Von Norderney aus sind die Priele und das Fahrwasser so angeordnet, dass man bei Ebbe durchlaufen kann. Nun ist das Mittelmeer kein Wattenmeer sondern im Durchschnitt 1.430 Meter tief, nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Gang übers Meer von Menschen selbst bei Niedrigwasser unmöglich.

Seit Tagen wird in der Presse wieder über die aktuellen Maßnahmen zahlreicher Hilfsorganisationen im Mittelmeer berichtet. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 93.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien, das war ein knappes Prozent mehr als 2016. Zuletzt gingen die Zahlen aber deutlich zurück: Nach Angaben des Innenministeriums in Rom wurden im Juli knapp 11.200 Neuankömmlinge registriert, nur rund halb so viele wie im Juli 2016. Mindestens 2.385 Menschen kamen seit Januar nach Angaben der Vereinten Nationen beim Versuch der Überfahrt ums Leben. Diese nichtstaatlichen Organisationen, die seit einigen Jahren unter anderem im Mittelmeer operieren, spielen bei der Rettung eine wesentliche Rolle. Ein Ziel eint all jene Organisationen: dass das Sterben vor den Toren der Festung Europas abnimmt. Seit Mitte dieser Woche liegt nun die IUVENTA, das Schiff von „Jugend rettet“ im Hafen von Lampedusa. Das Schiff wurde dort von der italienischen Polizei festgesetzt und untersucht. Derzeit befindet es sich auf eskortierter Fahrt in den Hafen von von Trapani auf Sizilien.

Eine Verdrehung von Ursache und Wirkung ist die Folge und so ist es nicht verwunderlich, dass sich ein Teil der europäischen Bevölkerung jetzt gegen die Arbeit der NGOs ausspricht. Die zahlreichen und häufig ehrenamtlich tätigen NGOs verwehren sich gegen den Vorwurf der Verallgemeinerungen. Die italienische la Republica titelt zwar in großen Lettern Die NGO arbeitete mit den Schleppern zusammen, der in der Causa IUVENTA ermittelnde Staatsanwalt stellt eine Anfangsverdacht fest teilt aber auch mit, dass: Es seien Begegnungen dokumentiert, und Verhalten auf dem Meer, das auf Kontakte hindeute. „Die Vorstellung, dass es einen koordinierten Plan gibt zwischen der NGO und den libyschen Schleppern, ist zur Zeit reine Phantasie.“ Quelle ARD

„Fehler passieren überall, wenn daraus strafbare Handlungen werden, dann müssen diese natürlich untersucht werden“ sagt Gerald Mennen von Outlaw.die Stiftung. „Wir sehen uns in unserer Aufgabe bestärkt, gemeinsam mit unseren zahlreichen Partnerorganisationen, zu denen beispielsweise auch SOS MEDITERRANEE gehört, Aufklärungsarbeit hier in Deutschland zu betreiben“ so Mennen weiter. Erst vor zwei Tagen erklärte die Organisation in einer Pressenotitz auf eindrückliche Art, dass der Bedarf an Rettungseinsätzen ungebrochen ist und diese immer komplizierter und aufwändiger werden.

Das Projekt „Mit Sicherheit gut ankommen“ startete am gestrigen Freitag auf der Nordseeinsel Norderney mit der szenischen Lesung Ein Morgen vor Lampedusa die zweite Etappe der weite Reise. Im Jugendgästehaus KLIPPER erlebten an diesem Abend ein dutzend Menschen die Tragödie noch einmal hautnah mit. Herr Geismann, selber im KLIPPER arbeitend, stellte im Anschluss die Frage, welche Lösung denn für das Problem der vielen Flüchtlinge aus Afrika gefunden werden kann. „Es kann ja nicht sein, dass ganz Afrika zu uns nach Europa kommt.“ Eine rege Diskussion über unsere Wertegemeinschaft und unseren Anteil an den Fluchtursachen schloss sich an. Dabei ging es einmal mehr um verschiedene Sichten und Wahrheiten und die Fragen nach Gesetz und Ordnung. „Wir bieten keine fertigen Lösungen aber genau diese Auseinandersetzung und die Gespräche untereinander wollen wir anregen“ mit diesen Worten beschließt Antonio Umberto Riccó den Abend. Er ist mit dem Spielkreis Theater der Matthias Kirche Hannover extra nach Norderney gereist. An drei aufeinander folgenden Tagen gibt es die Möglichkeit, die szenische Lesung zu erleben. Höhepunkt wird die Aufführung am 6. August um 20:30 Uhr direkt an der M/S ANTON sein.

Der dänische Fischkutter liegt mit 80 Kupferfiguren an Bord im Yachthafen und kann bis zum 6. August besichtigt werden. Rundherum gibt es ein spannendes Begleitprogramm, Lesungen, Diskussionen und die begleitenden Ausstellungen in der Jurte.

Viele Fragen ranken sich um die Debatte der Retter im Mittelmeer. SEA-WATCH hat ein sehr übersichtliches FAQ-Papier erstellt. In diesem werden die wichtigsten Fragen beantwortet. Mehr Infos zum italienische MRCC, die italienische Koordinationsstelle für Seenotfälle in Rom befinden sich in einem Artikel des Deutschlandfunkes.

Mittlerweile hat sich Jugend Rettet in einem ersten Interview nach der Festsetzung der  IUVENTA geäußert. Der Weg zur Aufklärung scheint lang.

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