EMDEN – zweiter Tag

Still ruht das Wasser im Emder Delft. So still, dass sich die Schiffe und das Rathaus mit ihren Lichtern und den langen Schatten darin spiegeln. Pünktlich zum Sonnenuntergang ertönt das Horn der M/S ANTON und gibt das international gültige Zeichen für SOS.

Am Emder Delft – Photo by Sebi Berens

Fast 200 Menschen aus Emden sitzen erwartungsvoll in den Reihen vor der M/S ANTON, die hier am Kopf des Rathausdelfts gleichermaßen als Bühne und Kulisse dient. Die aufgestellten Stühle reichen bei weitem nicht aus. Viele Besucherinnen und Besucher haben sich deshalb auch auf den umliegenden Treppen und Brüstungen niedergelassen.

Tanzeinlage von Mirsada (Tanzgruppe vom Verein Internationales Emden) – Photo by Sebi Berens

Begonnen wurde der Abend mit einem beeindruckenden Tanz von Mirsada, einer jungen Tänzerin aus Albanien.

Die sehr bewegende szenische Lesung `Ein Morgen vor Lampedusa´ bildete den Höhepunkt am gestrigen Abend im Programm „Mit Sicherheit gut ankommen“. Die Besonderheit in Emden: die Texte werden von sechs Sprecherinnen des Max-Windmüller-Gymnasiums Emden gelesen. Chantal Coorens, Anica de Groot, Franziska Hasenbein, Eefke Menzel, Janina Neeland und Paulina Russell haben sich gut auf diesen Abend vorbereitet und viel geübt. Dabei wurden sie von Studienrat Kai Gembler begleitet. Einzelne Passagen werden direkt vom Schiff gelesen – die Jugendlichen stehen dabei wie selbstverständlich zwischen den 80 stummen Kupferfiguren des Künstlers Jens Galschiøt. Erzählt wird die sehr bewegende Geschichte rund um die Katastrophe, die sich im Oktober 2013 vor der Mittelmeerinsel ereignete. Dort war ein mit über 550 Menschen völlig überfülltes und viel zu kleines Schiff mitten in der Nacht gesunken. Es gab nur wenige Überlebende. Bilder von der Rettungsaktion wurden in den Emder Abendhimmel projiziert und es wurden Originalzitate der Geretteten aber auch der Retter gelesen.

„Ein Morgen vor Lampedusa“ bei „Mit Sicherheit gut ankommen“ in der Emder Innenstadt – Photo by Sebi Berens

`Ich zog den leblosen Körper des kleinen Jungen vorsichtig aus dem Laderaum des Schiffes. Plötzlich stieß sein Kopf gegen meinen – mit offenen Augen blickte er mich direkt an, stumm und klagend. Ich werde diesen Jungen und sein Gesicht nie vergessen.´

Worte bei denen sich das Herz krümmt und die Tränen mit dem einsetzenden Nieselregen vermischen. An diesem Abend mitten in Emden wurde die Geschichte dieses Dramas noch einmal lebendig.

 

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