Gegenwind in Magdeburg

Mit dem ersten Licht der aufgehenden Sonne startete die Crew der Al-hadj Djumaa um halb sechs in den Tag. Wir verließen unseren malerischen Liegeplatz direkt vor der Autostadt Wolfsburg in Richtung Osten mit dem Ziel Magdeburg.

Der Tag beginnt – Photo by Sebi Berens

Niemand an Bord wusste genau, was das Schiff an der 17. Station der Reise erwarten würde. Ein neuer Hafen bedeutet immer auch neue Begegnungen mit den Menschen vor Ort, neue Gespräche und neue Geschichten. Im Vorfeld erreichten uns Nachrichten über eine verstärkte  Notwendigkeit der Security vor Ort. Außerdem war die Polizei bereits in Alarmbereitschaft versetzt worden. Uns ließ das Gefühl nicht los, auf Menschen zu treffen, die uns nicht willkommen heißen würden.

In Magdeburg wird die Elbe am Domfelsen schmal und schnell. Geschichten erzählen von etlichen Schiffen, die hier bereits verunglückt sein sollen. Und auch an diesem Tag schien selbst der Elbstrom unser Anlegemanöver verhindern zu wollen, als er die Geschwindigkeit des tapferen Schiffes auf ein gefährliches Schneckentempo verringerte. Nach dem Passieren der letzten Brücke vor Magdeburg, welche gleichzeitig die stärkste Stromschnelle darstellte, kam der Anleger in Sicht. Alle Bedenken wurden fallen gelassen, als die Crew – neben einem winzigen Boot mit AfD-Bannern – eine große, uns mit offenen Armen empfangende Menge sah. Wir waren sicher in Magdeburg angekommen.

Die Al-Hadj Djumaa und der kleine Gegenprotest am Petrifoerder – Photo by Sebi Berens

Im warmen Abendlicht begann die Veranstaltung am Petriförder mit zahlreichen Interessierten und Initiativen aus dem Raum Magdeburg. Mehrere Vertreter aus Politik und Sozialwirtschaft kamen, um das Schiff und die Besatzung zu begrüßen. 
“Das Projekt ist eine gute Möglichkeit, sich in die Situation Geflüchteter zu versetzen und die Not dieser Menschen am eigenen Leib zu verspüren”, sagte Dr. Gabriele Girke, Geschäftsführerin des Paritätischen Sachsen-Anhalt, in ihrer Eröffnungsrede. Susi Moebbeck, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration als Schirmherrin des Projektes in Sachsen-Anhalt erklärte entschlossen: “Die Geflüchteten haben ein Recht darauf, humanitär und würdevoll aufgenommen und behandelt zu werden.”

Mit dem Slogan: „In unserem Team spielen 11 Nationen Seite an Seite. Wir stehen für erfolgreiche Integration in Sachsen-Anhalt” sprach sich auch der SC Magdeburg, vertreten durch einen ihrer Spitzenspieler gegen Fremdenhass und für die Ziele des Projektes “Mit Sicherheit gut ankommen” aus.

Bis lange nach Einbruch der Dunkelheit spielten verschiedene Musiker aus aller Welt auf der kleinen Rundbogenbühne und sorgten für einen gelungenen Abschluss eines erfolgreichen Tages. Leider wurde das mulmige Gefühl des Vortages doch noch bestätigt, als das Wetter dafür sorgte, dass die für den Mittwoch angedachten Veranstaltungen gegen Mittag abgesagt werden mussten.

Musik aus verschiedenen Ländern – Photo by Sebi Berens

Zunehmender Wind drohte das Dach der Jurte abzudecken. Unsere Erfahrungen, die wir zum Beispiel auf der Nordseeinsel Norderney machen mussten, führten schließlich zur Entscheidung, die Jurte abzubauen. Aber auch die offizielle Sturmwarnung konnte nicht verhindern, dass vor allem Schulklassen dem Wetter trotzten und die Al-hadj Djumaa im Hafen mit großen Augen erforschten und den Vorträgen der Crew mit gespitzten Ohren lauschten. Auch viele Magdeburger trotzten dem Wetter und kamen, um sich über das Schiff, die Figuren und das Projekt zu informieren.

Mit wunderbaren Gesprächen und neuen, tollen Erfahrungen im Gepäck legten wir am Donnerstag – diesmal mit der Strömung zu unseren Gunsten – in Magdeburg ab. Jede Menge Rückenwind trieb uns an und selbst die anfangs als pietätlose Provokation empfundene Präsenz des AfD-Bootes wurde letztendlich als Symbol für die Bedeutung gesellschaftlichen Diskurses über Flucht und Migration empfunden, der einen Kernaspekt unseres Projektes darstellt. Wir wollen ins Gespräch kommen und wir wollen im Gespräch bleiben – mit Befürwortern und mit Kritikern. Weil Menschlichkeit ein Menschenrecht ist.

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