Das Wohnzimmer der Stadt

Wer möchte ihn nicht – den direkten Blick vom Wohnzimmer auf den See. Das viel besungene Haus am See wird in Neuruppin Wirklichkeit. Das Besondere daran ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt das Wohnzimmer teilen. Die Strandpromenade lädt zum Flanieren und Verweilen ein und eine frische Brise unterstreicht das nach Urlaub schmeckende Flair der kleinen Stadt. Doch die Idylle trügt. An der Promenade hat ein Schiff festgemacht.

Al-hadj Djumaa im Hafen von Neuruppin – Photo by Sebi Berens

Es ist ein ganz besonderes Schiff mit über 70 Skulpturen, die geflüchtete Menschen symbolisieren. Ein Flüchtlingsschiff in unserer Stadt? Es stört die Fassade und es stört die Stimmung – fast möchte man die Fernbedienung nehmen und einen Kanal weiter zappen. Auch in Neuruppin gibt es Menschen, die die große Klappe haben und sich über alles aufregen. Bei der Ankunft des Schiffes fragten Menschen, was das Ganze hier solle und warum das Schiff gerade nach Neuruppin fahren müsse? Der Bürgermeister der Stadt, Jens-Peter Golde spricht in den Begrüßungsworten von den großen politischen und menschlichen Herausforderungen, die in der nächsten Zeit auf uns zukommen. Neuruppin als selbsternannte Kulturstadt müsse vor allen Dingen lernen, die Streitkultur zu entwickeln. Dies meint in erster Linie die Auseinandersetzung auf intellektueller statt auf akustischer Ebene.

Eröffnungsrunde mit A. Kron, J.-P. Golde, R. Reinhardt, G. Mennen, H. Klier – Photo by Sebi Berens

Landrat Ralf Reinhardt ergänzt, dass das Schiff ein wunderbares Symbol ist und wir in unserem reichen Land lernen müssen, dass Flucht und Asyl in den kommenden Jahren zunehmen werden. „Es gehört zum Alltag dazu“ sagt er und „Worte wie `Obergrenze´ werden keine Zukunft haben“. Der immer häufiger zu erlebende Schaum vor dem Mund und der Schaum im Glas müsse besser verstanden werden. Wenn es gelingt die Fragen und Ängste der Menschen abzubauen, dann kann sich Politik auch wieder mit den Themen und Aufgaben beschäftigen. Dafür ist es notwendig zuzuhören und den Dialog zu kultivieren. Wenn es gelingt auf die Menschen zuzugehen, dann können Umdenkprozesse beginnen. Baudezernent Arne Krohn schätzt das Projekt „Mit Sicherheit gut ankommen“ als wunderbare Möglichkeit, den Dialog zu fördern und einen kleinen Knipps in den Gedanken zu erzeugen. Wichtig wäre, wenn es gelingt, bevor im Wohnzimmer der Kanal umgeschaltet wird und wir einfach weiter zappen.

 

 

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